Freitag, 24. Mai 2013

Der sterbende Schwan oder My private Waterloo

Man sagt, dem Anfängergeist wohnt ein besonderer Zauber inne. Man sagt, dass man sein Leben lang ein Lernender sein soll. Man sagt, dass das Leben der beste Lehrer ist.
Ich sage: Stimmt.
Geist, Seele und Körper blühen auf, werden angeregt und geschult durch neue Eindrücke und Erfahrungen.
Ich habe noch einen Aspekt von unglaublicher Dynamik entdeckt, der besonders aktiv wird, wenn du etwas lernst, was du definitiv und prinzipiell noch nie gekonnt hast und wozu du auch keinerlei Talent hast: Dein Ego stirbt tausend Tode, und wenn du Glück hast, krepiert ein kleiner Teil davon schlussendlich für immer. Allerdings nicht ohne sich vorher heftig zu wehren.
Die Geschichte meines ganz privaten Ego-Waterloo beginnt an einem trüben Donnerstag, der nur erhellt wird von der Erkenntnis, dass es Zeit ist.
Zeit, etwas für den eigenen Körper, für die Harmonie von Leib und Seele zu tun.
Nun hab ich in den letzten Jahren gelernt, dass es ratsam ist, auf intensive Impulse aus den Tiefen der eigenen Seele zu hören. (Klingt nach spiritueller Erkenntnis, hat aber viel mit der praktischen Erfahrung zu tun, dass meine Seele, wenn ignoriert, zum Holzhammer greift, um mir ihre Anliegen nahe zu bringen...)

Nach sorgfältiger Erwägung aller meiner Möglichkeiten - Zirkeltraining entbehrt jeglicher geistig-seelischer Dimension, Ausdruckstanz wär möglich, aber ganz ehrlich...ich weiß ja nicht...- ist mir mit einem Mal sonnenklar, was ich tun möchte.
Ich lerne T'ai Chi. Und Qi-Gong. Schöne, geschmeidige Bewegungen in gemäßigtem Tempo und mit meditativem Geist. Großartig.
Außerdem gehe ich davon aus, dass der Lehrer solch wundersamer Künste - da von oben erwähntem meditativen Geiste beseelt - eine Engelsgeduld hat. Die wird er brauchen mit seiner neuen Schülerin, soviel ist selbst bei wohlwollendster Betrachtung meiner Balancefähigkeit klar.
Gut.
Ich erspare dem geschätzten Leser im folgenden eine ausführliche Beschreibung meines privaten Schlachtfeldes, wo sich Wille gegen Körper, und dann, in plötzlicher unheiliger Allianz, die beiden zusammen gegen meinen Stolz, meine Würde und ansatzweise gar gegen mein Selbstwertgefühl wenden.
Selbst die tatsächlich engelsgleiche Geduld und die kompetente Anweisung des Meisters können nichts daran ändern: Ich kann nicht wirklich auf einem Bein stehen. Entweder ich wackle hin und her wie ein Lämmerschwanz oder ... ich fall' einfach um.
Wodurch ans Tageslicht kommt, was mein Ego so gerne verborgen hätte: Was dem begabten T'ai-Chi-Studenten sein Kranich, ist mir Bewegungslegastheniker ein sterbender Schwan. Und mein Schwan ist nicht etwa in Schönheit im Kampfe gefallen, oh nein. Der ist an der Vogelgrippe verreckt. Kommt ja bekanntlich auch aus China.
Selbst mein kleiner Sohn, der mir später, zuhause, alleine im stillen Kämmerlein beim Üben zuschaut, fragt mich mit gerunzelter Stirne:"Mama, können das die anderen Kinder besser?"
Ja. Alle. Und zwar ausnahmslos alle, sage ich während ich mich wie ein Häufchen Elend an die Wand lehne und zu Boden rutsche.
Mitleidig klopft er mir auf die Schulter und sagt dann: "Macht nix. Wir können ja üben."
Und das tue ich seitdem. Ich habe aufgehört, darüber nachzudenken. Ich habe aufgehört, mich mit meinem Willen zwingen zu wollen. Ich habe aufgehört, mich zu vergleichen und die geschickten Kampfsportschüler, die manches Mal mit uns mitüben, im Geiste Taekwondodos zu nennen. Ich habe aufgehört, mich zu genieren.
Und ich habe angefangen, zu genießen. Ich lache, ich spür mich, ich wachse langsam, ganz langsam über meine eigenen ach so engen Grenzen hinaus.
Soll das Ego doch vor die Hunde gehen. Irgendwann fliegt selbst mein Kranich gen Himmel!

Dienstag, 21. Mai 2013

Seelenwäsche

Im Garten spannt sich eine Wäscheleine
vom Kirschbaum hin zum kleinen Gartenhaus.
Auf dieser Leine, endlos lang,
die Reihe der Gewänder,
in die sich die Geschichten hüllen,
die ich mir von mir selbst erzähle.
Ich setz mich auf die kleine Gartenmauer
so wie ein Salamander in die Sonne
und spür die großen Steine
wie sie mir meine Füsse wärmen.
Und schau mir die Gewebe an
die fein gesponnenen und groben
und hör mir an, wie sie behaupten
zu wissen wer ich sei.
Das grüne Kleid, zu teuer aber wunderbar,
getragen auf der Hochzeit einer Freundin
um schön, schön, schön und ganz die Königin in meinem Reich zu sein.
Das schwarze, ausgebleichte Leinenhemd,
das mir erzählt, wie lang ich schon Geschichten meiner Traurigkeit mir selber glaube.
Die weiße Weste der Empörung,
die ich so gerne trage, wenn mir - ich armes Unschuldslamm -
die bösen Menschen übel mitspiel'n.
Und dann das große bunte Tuch
mit grünen Schmetterlingen drauf
das da vom Wind gebauscht und flatternd
von einem Waldspaziergang weiß,
der mich so glücklich macht.
Mit einem kleinen Lachen steh ich auf
und hab gesehen, was ich bin und wer ich gern zu sein glaubte
und gehe endlich heim
so federleicht und seelenbarfuß durch das grüne Gras.