Mittwoch, 28. August 2013

...bei meiner Seel'...

Wir alle sind eingebunden in ein vielmaschiges Netz aus Beziehungen. Wie der Volksmund so schön sagt, "kein Mensch ist eine Insel". Wir sind Lebewesen, die soziale Kontakte ebenso sehr brauchen wie die Luft zum Atmen. Durch die Interaktion mit unseren Mitmenschen erleben und erfahren wir uns zu einem guten Teil auch selbst.
Wie ein Pferd in seiner Herde so fühlen auch wir uns am ehesten in einer stabilen Gemeinschaft mit unseren Artgenossen geborgen.
Doch diese Geborgenheit hat ihren Preis. Wir müssen uns an die geltenden Regeln halten, die "üblichen" Pflichten gegenüber der Gemeinschaft und ausgewählten Einzelindividuen erfüllen, die gängigen Tabus beachten und uns, wenn irgend möglich, nicht zu weit von der "Norm" entfernen.
Normalerweise, das heißt, wenn unsere ureigensten Bedürfnisse mit den Bedürfnissen der Gruppe weitestgehend übereinstimmen, ist das gar kein Thema. Es geschieht quasi von selbst.
Erst wenn sich etwas in uns aufmacht, die eigenen Grenzen auszuloten, wenn es uns nach Erkenntnis, Erfahrung, Erweiterung oder manchmal einfach nur nach Abenteuern gelüstet, spüren wir, wie sich das oben genannte Netz um uns herum zusammenzieht. Was uns sonst zur Sicherheit gereicht, wird plötzlich zum Käfig. Wie ein ins Netz gegangener Fisch beginnen wir zu zappeln und versuchen, uns mehr Raum zu schaffen. Aber jede Bewegung scheint dazu zu führen, dass wir uns mehr in den Maschen verfangen.
Die Fäden zerren an uns und erinnern uns daran, dass wir unsere Verpflichtungen zu erfüllen haben.
Das ist der Augenblick, in dem wir uns fragen müssen, wo unsere Wertigkeiten, unsere Prämissen liegen. Können wir unseren Weg weiter innerhalb des alten Systems gehen oder müssen wir das Netz zerreißen?
Tauschen wir Geborgenheit gepaart mit Abhängigkeit gegen Freiheit, die wir mit einem gewissen Maß an Einsamkeit bezahlen? Haben wir den Drang - und den Mut! - für uns selbst zu stehen, weil wir letztendlich gar nicht anders können? Und wie viel zerbrochenes Porzellan wollen und können wir dabei produzieren?
Auf diese Fragen gibt es weder eine universelle noch eine allgemein gültige Antwort.
Wir müssen uns jedes Mal aufs Neue fragen, unsere Seele, unser Herz und unser Gewissen prüfen und dann das tun, was uns richtig erscheint. Manches Mal landen wir auf den Füßen. Manches Mal geraten wir aber auch vom Regen in die Traufe...
Trotzdem müssen wir unseren Horizont erweitern, wenn wir wirklich herausfinden wollen, wer wir sind. Daher - auch wenn es mitunter schmerzhaft ist:
Bei meiner Seel', ich bleib mir selber treu!

Sonntag, 18. August 2013

Warten auf Godot

In dem Stück von Samuel Beckett "Warten auf Godot" lungern zwei Landstreicher in einer gottverlassenen Gegend unter einem Baum am Rande einer Landstraße herum und warten auf Godot. Wer dieser Godot ist, kommt nie heraus. Und Godot kommt nicht. Natürlich nicht. Aber die zwei gehen davon aus, dass sie gerettet wären, wenn er käme. Gerettet wovor, eigentlich?

Wie viel Zeit verbringst du damit, auf die "Rettung" zu warten? Auf den Erlöser, den großen Unbekannten, den Checker, der dann alles für dich regeln wird? Auf den, der aus dem Nichts erscheint und dich von dem von dir selbst gewählten gottverlassenen Vorhof zur Hölle wegbringt und dir nicht nur die Lösung aller deiner Probleme sondern auch die Antwort auf deine Frage nach dem Sinn des Ganzen mitbringt...

Godot wird nicht kommen. Godot kommt nie.

Die Antworten auf unsere Fragen kommen niemals von außen.
Keiner kann uns von unserer Angst, unserem Zweifeln, von unserer Verzweiflung befreien - außer wir selbst. 

Aber es könnte helfen, nicht zum hundertsten Mal den selben alten Schwachsinn in Gedanken durchzukauen, den Platz unter dem schäbigen Baum endlich zu verlassen und den Hintern die gottverdammte Landstraße entlang zu bewegen. 
Dann könnte es nämlich sein, dass dir unterwegs etwas (oder jemand) begegnet, das irgendwas in dir auslöst, das den Teufelskreis deiner eingefahrenen Selbstsabotage durchbricht und es dir möglich macht, die Fragen endlich anders zu formulieren und - vielleicht, vielleicht - in dir eine Antwort zu finden. Denn egal wo der Schuh drückt, es ist DEIN Schuh und nur du kannst herausfinden, ob und wo du ihn am besten zum Schuster bringst; oder ob du ihn ausziehst und gleich wegschmeißt, weil barfuß durchs Gras ein ganz anderes Lebensgefühl bringt.

Ich scheiß auf Godot.
Ich komm selber.

Mittwoch, 31. Juli 2013

Im Fluss

Nichts in dieser Welt ist statisch, nichts besteht unverändert. Es liegt in der Natur aller Erscheinungen, sich beständig im Wandel zu befinden. Dieses sich wandeln ist an sich wertfrei, nur unser menschlicher Geist klassifiziert die Geschehnisse und wertet sie. So meinen wir, einen qualitativen Unterschied zwischen dem, was wir Entwicklung nennen, und dem, was wir als Verfall oder Niedergang bezeichnen, zu erkennen und nennen das eine gut und das andere schlecht.
Willkommen in einer dualen Weltsicht, wo Gut und Böse, Erwünscht und Unerwünscht miteinander um die Vorherrschaft ringen. (Uns ist selbstverständlich eh klar, auf welcher Seite wir stehen, wenn es zum finalen Armageddon kommt...when the saints go marching in...)

Dein Pferd und Du, im gestreckten Galopp auf einem wunderbar federnden Feldweg zwischen üppigen Wiesen und Äckern. Immer schneller, wunderbar im Gleichklang, zwei Wesen, die wie eines agieren.
Galopp ist eine großartige Sache.

Dein Pferd und Du, im gestreckten Galopp auf einer wunderbar geteerten Bundesstraße zwischen üppig beladenen Lastwagen. Immer schneller, wunderbar im Gleichklang mit dem hysterischen Hupen der Autos, zwei Wesen die wie eines agieren...in ihrer Panik.
Galopp ist eine entsetzliche Sache.

Dieselben Akteure, dieselbe Aktion, anderes Bühnenbild, und schon hat sich die Bewertung ins glatte Gegenteil verkehrt. Eine Art pole swap der Wertigkeiten.

Blödsinn, hör ich dich sagen, natürlich ist das eine gut und das andere schlecht, bei dem einen hab ich Freude und das andere kann mich das Leben kosten! Was soll die dämliche Haarspalterei?

Hast recht, in diesem Fall ist es ja ganz deutlich, was dir gut tut und was vermutlich böse endet. In diesem Fall ist es absolut am Platz, das Gehirn einzuschalten und die Reitwegplanung zu optimieren.

Was aber, wenn unser Verstand, der alte Bürokrat, der immer alles mit den Parametern von gestern oder dem 14.10.1979 oder weiß der Himmel welchen veralteten Daten abgleicht, mit der selben - vermeintlichen - Klarheit über Dinge entscheidet, die sich ungleich komplexer und subtiler verhalten?
Was, wenn dein Hirn sich zum Richter aufschwingt über Dinge, von denen es nichts versteht und dir dabei weismacht, dass es absolut kompetent dazu sei, schließlich hat es dir mit dieser Methode ja schon oft genug den Hintern gerettet, zum Beispiel in Situationen siehe oben auf der Bundesstraße.

Ich glaube, dass wir uns bei den wichtigen seelischen Dingen unseres Lebens nicht auf unseren Verstand als letzte Instanz verlassen können. Er ist absolut brauchbar als Zulieferer von Information, er ist ein hervorragender zweiter Mann im Staat, aber als Herrscher taugt er rein gar nicht.
Denn er kann nie aus dem Moment heraus agieren. All seine Daten entstammen der Vergangenheit, all seine Bemessungen stützen sich auf bereits Bekanntes und sind damit unbrauchbar, um neues, unbekanntes Land zu entdecken.
Aber welche Instanz in uns ist dann befähigt, uns bei den wirklich großen Entdeckungen unseres Lebens, bei der Reise zu uns selbst anzuleiten?

Dummerweise kann ich dir auch keinen Namen nennen.

Manche nennen es "das höhere Selbst", aber das bedeutet auch nicht mehr als "das, was wir wirklich sind" und das sagt einem leider gar nichts, wenn man diesem Teil in sich noch nie begegnet ist, weil wir dem Verstand geglaubt haben, dass wir er sind und dass außerhalb seiner engen Grenzen nichts existiert.
Ich weiß nur, das diese Instanz über unsere Emotion und unsere Intuition mit uns kommuniziert.
Und ich habe gelernt, dass ich ihre Nachrichten nur dann dechiffrieren kann, wenn ich mich ganz auf den Moment einlasse und ohne zu werten wahrnehme, was in diesem Augenblick geschieht.
Manche nennen das "im Fluss sein", andere sprechen vom Tao. Es gibt viele Bezeichnungen.
Wie auch immer es genannt wird, du erkennst es daran, dass das Gehirn ruhig ist und du alles in dir und um dich herum mit einer unglaublichen Klarheit wahrnimmst. Und in diesem Augenblick gibt es keinerlei Bewertung, keine Trennung; alles ist aus einem Guss.

Ich sage nicht, dass unser Verstand und unser Gehirn keinen Zweck oder keine Bedeutung hätten. Ich finde es auch absolut angebracht, die Entscheidungsmöglichkeit zu haben zwischen Dingen, die ich für gut und anderen, die ich für schlecht für mich befunden habe.
Aber alles zu seiner Zeit.
Vor der Bearbeitung und potentiellen Verzerrung durch unseren Kopf sollte immer ein Moment der unverfälschten Wahrnehmung stehen, in dem ich einfach in der Situation, in ihrem Verlauf, im Fluss eben, BIN, und NICHT darüber DENKE, was mir da gerade widerfährt.

Die Pferde lieben es, wenn wir uns in diesem Zustand befinden oder uns nur daran annähern.
Ich denke, sie haben den Fluss einfach nie verlassen, nicht einmal wenn sie leiden.
Für sie ist immer alles mitten im Leben.


Sonntag, 30. Juni 2013

Große Erwartungen

Was bleibt von uns übrig, wenn wir aufhören, Pläne zu schmieden?
Was für ein morgen würde uns erwarten, wenn wir aufhören würden, vom morgen ganz bestimmte Dinge zu erwarten, die von unserer Erfahrung von gestern geprägt sind?
Wer sind wir, wenn wir einfach nur sind, gerade jetzt?
Wie würde sich unser Leben gestalten, wenn wir aufhören würden, es andauernd im viel zu kleinen Rahmen unserer Gedanken selbst zu gestalten?
Was sagt dir das Leben, wenn es durch eine vollkommen unerwartete Wendung all deine Pläne durchkreuzt und damit die ganzen durchwachten, durchgrübelten, durchplanten Nächte der letzten Jahre ad absurdum führt?
Was würde dir dein Gegenüber sagen, wenn du nicht davon ausgehen würdest, dass du ja schon weißt, was jetzt kommt?
Was ist der Unterschied zwischen Zielen und Plänen?
Und zwischen Zuversicht und Erwartung?
Was gibst du mir, wenn ich nichts mehr von dir verlange?
Die Quantenphysik zeigt, dass die Erwartungen des Beobachters den Ausgang des Experiments beeinflussen.
Was, wenn der Beobachter keine Erwartung mehr hat und einfach nur....wahrnimmt?

Sonntag, 23. Juni 2013

Pioniergeist

Hans Hass mit den Haien. Hans Hass auf Unterwasserexpedition. Hans Hass, der erste "freischwimmende" Taucher mit Atemgerät. Hans Hass und ein Haufen sympathische Verrückte auf einem Forschungsschiff.
Schwarzweißbilder aus einem alten Buch, dass mir vor 35 Jahren eine alte Dame, deren Dackel eng mit meinem Dackel befreundet war, geliehen hat.
Ein kleines Mädchen, dass damals beschloss, Forscherin zu werden. Und Entdeckerin.
Und später Ärztin. Und Heilerin. Und Archäologin. Ein paar Sachen davon bin ich geworden.

Du sagst mir, dass du dir mit 35 ein Herz gefasst hast und dein ganzes Leben neu gestaltet hast. Du hast einen Weg hinaus aus dem alltäglichen Schwachsinn und hinein in eine gelebte Spiritualität gefunden. Jetzt, mehr als zehn Jahre später, hast du alles erreicht, was du dir damals gewünscht hast. Was soll jetzt noch kommen, fragst du mich, noch ein bisschen die Sterne betrachten und dann den Deckel zu.

Hans Hass mit 89 Jahren bei einem Tauchgang im Meer. Hans Hass, der uralte Mann, der entgegen der Absprache mitten unter die Haie schwimmt.
Hans Hass auf die Frage, wie er sich all die Jahre seinen Enthusiasmus erhalten hat: "Ich hab' mich immer für die Dinge interessiert, für die sich sonst fast keiner interessiert."
Er hat sich neue Fragen gestellt und neue Antworten gefunden. Es war ihm offenbar ganz egal, was irgendwer sonst davon dachte.
Ich weiß nicht, was der Herr Hass für ein Mensch war, aber er war durchdrungen von einem gewaltigen Pioniergeist. Und der hat ihn nicht nur ständig schneller-höher-weiter getrieben, sondern seine Sicht auf die Welt geprägt und - verändert.
Aus dem Abenteurer mit dem Fischspeer in der Hand wurde ein Forscher, aus dem Forschergeist entstand eine so gewaltige Liebe zum Meer, dass sie ihn dazu trieb, die Erde und ihre Lebewesen von Grund auf und prinzipiell verstehen zu wollen. Er wurde Tier- und Naturschützer und ein recht philosophischer alter Herr.
Aber was er immer blieb, war ein Kind, das mit großen Zum-aller-ersten-Mal-Augen die Wunder dieser Welt bestaunt.

Noch ein bisschen die Sterne betrachten und den Deckel zu...

Ich wünschte, du würdest dich an deine Zum-aller-ersten-Mal-Augen erinnern, mein Freund.
Manchmal zieht sich der Marianengraben durch den Pazifik deiner Seele und der Mount Everest türmt sich in deinem Herzen.
Wie wäre es, wenn du einfach aufhörst, den Blues zu singen darüber, dass der alte Weg, der dich immerhin an dein damals gewähltes Ziel gebracht hat, nicht weiter führt?
Wie wäre es, wenn du nach dem Beginn des neuen Weges Ausschau hältst, vielleicht an Orten "für die sich sonst fast keiner interessiert"?
Wie wäre es, wenn du dich daran erinnerst, das du ein Pionier bist bei der Eroberung deines eigenen Landes, und das dein Claim erst gesteckt ist, wenn dein Herz vollkommen eins geworden ist mit den Landschaften deiner Seele?
Was, wenn ich dir sage, dass ich dich auf halbem Wege unter einem verdorrten Busch sitzen sah, mit einem schicksalsergebenen Lächeln auf den Lippen und der erstaunten Frage in den Augen, ob das dein Bodhibaum sei?
Ich bitt' dich, steh' auf!
Es gilt, noch diese ganze Welt zu entdecken, und die nächste...

Und wenn du das nächste mal zu den Sternen schaust, dann bitte dein Herz um die alte Seekarte, die dir den Weg weist und dann befiehl dem Steuermann in deinem Kopf Kurs zu setzen zu neuen Ufern...mögen sie sein wo auch immer du möchtest.

Dienstag, 11. Juni 2013

Luxusgeschöpfe

Der graue Kater starrt mich empört an und verzieht angeekelt das Gesicht.
"Spinnst Du?! Ist dir wohl nicht gut genug, das Katzenfutter aus dem Supermarkt!" herrsche ich ihn an.
Ich hab einen harten Tag hinter mir, viele Ställe, viele Pferde, keine Minute für mich.
Keine Zeit, im gewohnten Geschäft das gewohnte Fressi für den Herrn Katz zu besorgen, nur noch schnell rein in den Laden und eine Dose Katzen-Irgendwas.
Ist Ihro Gnaden nicht gut genug.
Ihm, der von einer unbekannten Mutter in einem unbekannten Rinnstein in eine feindliche Welt geboren wurde. Der sich zumeist alleine durchschlagen musste und der irgendwann vom Leben an unsere Gestade gespült wurde, wo ihm ein Heim, Pflege und gegebenenfalls homöopathische Versorgung (weißt schon, die anderen zahlen ein Schweinegeld dafür beim Heilpraktiker!) zuteil wird.
Und jetzt ist dem Herrn das Normal-Futter nicht gut genug!
Schimpfend nehm' ich die Schüssel und knall sie dem Mops vor die Nase. Dem ist's wurscht (obzwar in Marbella in der Marmorvilla einer edlen Hunderetterin aufgezogen, gell!), der frisst alles.
Unter Zerfetzungen des Charakters des mittlerweile laut mauzenden Parvenus finde ich in der hintersten Ecke  des Futterkastels noch eine Dose Edelspeisung (die, die man laut Werbung am besten mit einem Sträußlein Petersilie serviert...) und reiche sie ihm sarkastisch auf einem Porzellantellerchen.
Kopfschüttelnd dreh ich mich um, da ruft mein Mann aus der Küche: "Ich brauch heut was Gutes, ich mach einen Prosecco auf. Willst auch einen Schluck?"
"Sicher!" brüll ich zurück. "Und nimm den guten aus Italien, nicht das G'schloder aus dem Supermarkt!"

Sonntag, 9. Juni 2013

Qigong mit schwarzer Katze

Viertel nach Sechs. Ein wunderschöner Frühsommermorgen. Die Rosen strotzen vor Knospen, die alle eben aufbrechen wollen, winzige Mücken tanzen in den ersten Sonnenstrahlen, alles ist so friedlich und still.
Mich hält nichts mehr im Bett, ich will hinaus in meinen Garten und diese zauberhafte Stimmung genießen.
Die Füße im taufrischen Gras, der frische Wind auf der Haut, der Rest der Mischpoche noch im Tiefschlaf im Bett, beschließe ich, dass das genau der richtige Moment für ein paar Qigongübungen ist.
Tief einatmen, die Arme nehmen die Energie der Erde auf, laaangsam ausatmen, die Arme senken sich im Zeitlupentempo, tief einatmen, der Mops schnarcht im Gras, auuuuusatmen...
Mir wird ganz warm ums Herz, Zufriedenheit in jeder Faser meines Körpers.
Ein Schnurren kommt immer näher, und als ich die Augen wieder aufmache, hat sich die kleine schwarze Katze neben mir niedergelassen. Franz-von Assisis-Feeling, aber echt!
Ich denke bei mir "ein paar anspruchsvollere Übungen können nicht schaden" und versuche mich zu erinnern, was wir alles so gelernt haben (und wobei ich besonders gewackelt habe).
Ah ja, da war doch diese Übung, jetzt hab ich schon wieder den Namen vergessen, diese Chinesen haben ja immer so poetische Bezeichnungen, die Arme falten sich vor der Brust wie zum Gebet, das eine Bein wird - selbstverständlich im Schneckentempo - gebeugt vor dem Körper angehoben und dann ganz langsam nach hinten geführt und ausgestreckt, dann haaaalten, dann kontrolliert und selbstverständlich in Zeitlupe saaaanft wieder absetzen. Die Atmung begleitet natürlich (?!!!!) rhythmisch und gleichmäßig die Bewegung des Körpers. Vermutlich heißt die Übung irgendwas in der Art von "Der einbeinige Mönch begrüßt die Sonne". Oder so.
Mein erster Versuch endet in etwas, was meine oftmals schnippische Freundin Esther bestenfalls als "Hundsattitüde" bezeichnen hätte. Ich widme den Erstversuch dem Hund ("Der schnorchelnde Mops hebt das Bein und grüßt pinkelnd den Baum") und versuch's nochmal, mit etwas mehr Konzentration und einem Hauch von Körperspannung (ist prinzipiell ja nie verkehrt beim Ein-Bein-Stand...)
Die Arme vor die Brust, Handflächen aufeinander, Oberkörper aufgerichtet, das Bein nach vorne Heben, nicht so lasch, etwas höher bitt'schön...da kitzelt mich doch etwas...
Direkt unter meinem Fuß steht die kohlrabenschwarze Minimiez, drückt ihr Katzenköpfchen gegen meine Fußsohle, stemmt sich schließlich mit ihrem ganzen kleinen Körper dagegen und schiebt mein Bein nach oben. Jetzt nur nicht wackeln, denk ich, und zieh vorsichtig meinen Fuß über den Rücken des Kätzchens nach hinten, den dünnen langen Schwanz entlang nach oben, dann das Bein nach hinten ausstrecken, um Gottes Willen nicht umfallen, und stehen, stehen, stehen, aaaatmen, mein Gott, das geht ja!!!!!
Mein Personal Trainer beißt mir liebevoll in den Knöchel meines Standbeines - vermutlich will sie mich an mehr Stabilität gemahnen - und verschwindet dann, nicht ohne eine letzte über die Schulter gemauzte Belehrung, im Gebüsch.
Besten Dank! Und das alles für ein Schälchen Katzenfutter pro Tag....

Samstag, 8. Juni 2013

..."um zu" oder Die Ebenen der Absicht

Unser Verstand ist ein wirklich wertvolles Instrument zum Erfassen und Lösen von Problemen.
Solange WIR ihn benützen und nicht ER uns.
Jeder kennt diesen Moment: Das Leben stellt dir eine Herausforderung, der du mit deinen üblichen Methoden und Werkzeugen nicht begegnen kannst, da sie in diesem speziellen Fall wirkungslos sind. Also fängst du an, die Situation zu analysieren. Dann überlegst du, was du tun oder lassen könntest um die Lage zu "bereinigen", d.h. letztlich möglichst schnell alles in einen Zustand zu überführen, der für dich angenehm und unproblematisch ist.
Lästigerweise funktioniert das in gewissen Fällen nicht. Also denken wir intensiver nach, holen uns Rat, probieren andere Lösungsansätze. Oft ist damit der Bann gebrochen. Aber dann gibt es noch diese gewissen Dinge, die sich als vollkommen lösungsresistent erweisen....
Unsere Pferde sind Meister darin, uns mit solchen Geschichten zu konfrontieren.
Während sie unbeirrt den Impulsen aus der Tiefe ihres Wesens folgen -was auch immer das sein mag, oft konfrontiert es uns mit extrem belastenden, emotionsgeladenen Situationen - beginnen wir uns in unserem eigenen Gedankenkarussell zu drehen, bis uns schwindlig wird. Die Gehirnakrobatik bekommt einen Eigendynamik, die Denkerei beginnt mitunter sogar, uns den Schlaf zu rauben. Wir sind nicht mehr Herr über unser Denken, sondern der Verstand hat uns die Karotte vor die Nase gehalten, dass er der einzige sei, der uns - in dieser "verzweifelten Lage" - noch Rettung und Lösung bringen könne. Und wir Esel folgen ihm in blindem Vertrauen, obwohl sich nichts in die richtige Richtung bewegt, obwohl unsere Lebensfreude schon arg gelitten hat, obwohl wir mittlerweile "alles probieren" und letztlich in blindem Aktionismus irgendwas tun. Manche suchen ihr Heil in der 25-sten Trainingsmethode, andere haben eine Zusatzfuttermittelliste die sich liest wie das who-is-who der Gesamtheit der möglichen Nahrungsergänzungsstoffe, wieder andere beschäftigen eine Heerschar von Therapeuten... Das Ausmaß der Verzweiflung steht dabei in direkt proportionalem Verhältnis zu den "Hab-ich-schon-Probiert"s.

Wir wollen etwas TUN, UM die Lage ZU bereinigen.
Das ist unsere Absicht, dazu verwenden wir unsere geistige i.e. verstandesmäßige Kapazität. Funktioniert ja auch oft.
Was aber, wenn nicht? Warum machen wir weiter, immer auf dieselbe Art und Weise?
Eine Definition von Verrücktheit besagt, dass etwas immer wieder auf dieselbe Art versucht wird, obwohl offensichtlich ist, dass es so nicht funktioniert...
Unser Verstand hat uns - Hand in Hand mit unserem Ego, das den Wahn in uns nährt, wir hätten prinzipiell mit unserem Kopf die Kontrolle über das Leben und seine Geschehnisse - so die Sicht vernebelt, dass wir gar nicht mehr darauf kommen, einen andere Ebene unseres Wesens einzubeziehen.
Unsere emotionale, seelische und spirituelle Kompetenz wird weder abgefragt und noch ausgebaut.
Dabei können wir auf all diesen Wegen unser Pferd viel besser erreichen als mit dem Hirn!

Allerdings muss ich nun meine Absicht, quasi die Prämisse für mein Handeln, überprüfen. Denn wenn sich eine Geschichte als so hartnäckig erweist, kann es sein, dass mein Bestreben ("es soll alles wieder so sein wie vorher" oder "ich will einfach meine Ruhe und mich wieder entspannen") das eigentliche Ziel weit verfehlt.   Also einen Stock tiefer, in die emotionale Schiene: "Ich will wissen, wie du dich fühlst, denn dann kann ich dich verstehen." Das ist etwas, das sehr viele Pferd schon enorm glücklich macht. Der Moment, in dem ihr Mensch sich wirklich auf sie einlässt und sein Herz aufmacht, ist für sie das, worauf sie so lange gewartet haben. Viele, viele Dinge werden auf dieser Ebene aufgelöst und es ist für mich immer wieder ein besonderer, so berührender Moment bei meiner Arbeit, wenn ich das miterleben darf.
Die Frage, die du hier gestellt hast, heißt eigentlich "WER BIST DU?"
Und aus ganzem Herzen gestellt, eröffnet sie den Fluss des Mitfühlens, der die Basis der liebevollen Verbindung zwischen den Lebewesen ist.

Aber ab und zu können wir mit unsern Pferden noch weiter gehen. Da ist noch etwas, das uns weit über die Grenzen der Kommunikation zwischen zwei Spezies hinaus trägt. Auf dieser Ebene geht meine Absicht nicht mehr in Richtung von verstehen oder fühlen. Vielleicht könnte man sagen, dass sich hier alle Absicht auflöst. Das Tor zu diesem Zustand öffnet die Frage "WAS BIST DU?"
Wenn Mensch und Tier zusammen dieses Tor durchschreiten, löst sich alles auf.
Keine Gedanken, keine Fragen, keine Absicht mehr. Nicht einmal mehr ein Du und Ich.
Mir sind diese Momente heilig. Da ist nur mehr das Leben an sich. Reines Sein.

Ich durfte in den letzten Wochen einige solche Augenblicke erleben. Manche sagen, dass sei die Energie der Zeit, die diese Verbindung zwischen den Lebewesen begünstigt.
Wenn es so ist, dann leben wir in einer guten, in einer großen Zeit. Wir sollten ihr Geschenk annehmen und unsere Möglichkeiten ausschöpfen.
Manchmal muss man einfach aufs Ganze gehen, um mitten im Honigtopf zu landen.

Mittwoch, 5. Juni 2013

...ich treff dich dort

jenseits von gut und böse

abseits des weges
unserer ideen
darüber was richtig ist und falsch
da wächst ein feld -
ich treff dich dort
Elisabeth Wendt, Amor vincit omnia et nos cedamus amori (Blog), nach einem Gedicht von Rumi
So treffend, so klar formuliert wie hier von meiner besten Freundin Nira (Elisabeth; übersetzt von einem Gedicht des persischen Dichters Rumi), klingt es, als müsste man nur ein paar kleine Schritte machen und schon begegnet man sich selbst und dem anderen auf dem freien Feld des Lebens. 
Ich denke, so ist es letztendlich auch. Die Wahrheit liegt meist nur einen Steinwurf von uns entfernt. 
Das Problem ist, dass wir meist nicht einmal bemerken, dass wir uns alte, ausgetretene Pfade entlangschleppen. Wir haben diese Wege so sehr als einen Teil unseres Wesens akzeptiert, dass wir ihre Existenzberechtigung nie mehr überprüft haben. Wir haben sie einfach als unantastbare Prämissen für unser Denken, Fühlen und Handeln eingesetzt und über die Jahre vergessen, dass wir uns die Grenzen unseres Spielraumes ja irgendwann selbst gesetzt haben. In bester Absicht und nach bestem Wissen und Gewissen...und genau unserem damaligen Entwicklungsstand entsprechend.
Und wie die Jahre so ins Land gehen und das Leben uns mit immer neuen Anforderungen, Herausforderungen und Erkenntnissen konfrontiert, verändern wir uns, dehnen uns, wollen wachsen und eine andere Form annehmen. Doch eingequetscht in das nun zu enge Korsett unserer Denkmuster  von einst im Mai können wir uns nicht ausbreiten. Wir stoßen permanent an unsichtbare Grenzen und das verursacht Schmerz. Und da wir die einengenden Begrenzungen unserer Konzepte und altgedienten Vorstellungen so sehr verinnerlicht haben, blendet unser Verstand sie einfach aus. Damit sind sie unserem inneren Auge, unserem Bewusstsein unsichtbar geworden und wir verstehen einfach nicht, warum wir wieder und wieder an die Schmerzgrenze gelangen oder - selbst wenn es gerade nicht weh tut - uns ein unterschwelliges Gefühl von Enge und Unwohlsein begleitet. Unser Unterbewusstsein vermerkt, dass da etwas nicht stimmt und - obzwar es das Problem nicht benennen kann - schickt es uns Nachricht von den Ungereimtheiten durch unsere Gefühle. 
Wenn wir beginnen mit unserem Bewusstsein der emotionalen Fährte zu folgen, die unser Unterbewusstes uns gelegt hat, nimmt unser Blick irgendwann den Weg wieder wahr. Plötzlich wird die ausgetretene Spur, der wir mit gesenktem Kopf und Tunnelblick wie auf Autopilot folgen, sichtbar, unsere eigenen Fußstapfen von vor so langer Zeit. Heben wir dann den Kopf, fällt uns die blühende Landschaft nebenan auf, das Feld unserer ungenutzten Möglichkeiten, das da links und rechts von unserer Strecke wächst. Wie aus einem viel zu langen Schlaf erwacht schauen wir uns um und entdecken tausend neue Horizonte, die es zu entdecken gibt.
Nur noch drei, vier Schritte und ich bahne mir meinen neuen, noch nie beschrittenen Pfad durch die goldgelben Kornfelder dessen, was ich auch alles bin.
Für Nira

Montag, 3. Juni 2013

Beim nächsten Pferd wird alles besser...

Um etwas zu überwinden, um es tatsächlich hinter dir zu lassen,
musst du es erst völlig durchdringen und ganz in Besitz nehmen.
Sonst ist es kein Hinter-Dir-Lassen - sondern eine Flucht.
Und die Geschichte heftet sich an deine Fährte wie ein Raubtier an die Spur seiner Beute.

Vor mir steht eine Damen mittleren Alters, freundlich, intelligent - und völlig entnervt.
"Da hab' ich extra mein vorheriges Pferd verkauft, weil es einfach so anstrengend und unmöglich war, und jetzt fängt DER auch so an...das ist doch nicht zu fassen!"
Eigentlich ein Klassiker.
Das Pferd macht eigenartige/verrückte/gefährliche Sachen, man versucht gegenzusteuern, man leidet, man kämpft...und gibt schließlich auf und trennt sich von dem unmöglichen Tier. Überzeugt davon, beim letzten Mal die falsche Wahl getroffen zu haben, macht man sich voll Enthusiasmus auf die Suche nach einem neuen Pferd, sucht es danach aus, dass es die unerwünschten Eigenschaften des Vorgängers bestimmt nicht hat - und landet trotzdem wieder an einem Punkt, an dem das Tier irgendwelche unbequemen, unerwünschten, anstrengenden und frustrierenden Verhaltensweisen zeigt.
Abgesehen davon, dass es manchmal einfache, logische Erklärungen für die anstehenden Probleme gibt (so z.B. dass es nicht wirklich selten vorkommt, dass der erst 8-jährig kastrierte Bursche, der seine Jugend mit anderen wilden Kerls auf der Hengstweide verbracht hat, auch später, als Wallach, im Herdenverband ein überaus dominantes und evtl. grobes Sozialverhalten zeigt) gibt es auch eine subtilere Ebene, auf der die Weiterführung von bestimmten Themen stattfindet.
Es geht dabei um eine Erscheinung, die oft mit dem sog. Gesetz der Resonanz beschrieben wird.
Das bedeutet, dass etwas in dir aus für deinen Verstand zumeist völlig unerfindlichen Gründen bestimmte Situationen, Dramen, Gefühle usw. magisch anzieht wie das Licht die Motten.
Gewisse noch ungeklärte Strukturen in deinem Inneren senden quasi bestimmte Energiefrequenzen aus, die ähnliche Schwingungen anziehen, die also mit Lebewesen oder Situationen in Resonanz geht, die an demselben Thema dran sind.
Eigentlich eine gute Sache, denn nur durch das tatsächliche Verstehen und durch das vollkommene Durchdringen der Hintergründe in deinem Inneren kannst du diese energetischen Knoten ein für alle mal lösen. Und davor hat dich die Geschichte am Schlawittchen, ob du willst oder nicht.
Viele reagieren empört und verwehren sich gegen den "Vorwurf", dass es ihre Schuld sei, dass ihr Pferd austickt oder sonst irgendwelche absurden Macken entwickelt.
Zunächst einmal muss hier in aller Deutlichkeit gesagt werden, dass das ganze nichts, aber auch gar nichts mit  Schuld zu tun hat. "Schuld" ist ein Konzept, dass uns genauso an ein Thema bindet wie Angst, Verzweiflung oder Hass.
Trotzdem...irgendwas hat die Geschichte mit dir zu tun, und sei es, dass dir dadurch aufgezeigt wird, dass du gewissen Problemen in dir selbst lieber ausweichst statt dich ihnen zu stellen.
Meine Stute Maritella war in ihren jüngeren Jahren überaus aggressiv, wild und unkontrolliert. Ihre Züchterin, eine erfahrene Pferdefrau, von der ich viel lernen durfte, war sehr erstaunt, als ich ihr von den immer weiter eskalierenden "Kämpfen" erzählte, die sie mir und allen, die mit ihr zu tun hatten, lieferte. Sie hatte das Pferd nämlich stets als munteres, aber zentriertes und freundliches Wesen erlebt, eigentlich völlig unkompliziert.
Ich aber hatte einen feuerspeienden Drachen vor mir.
Fast alle um mich herum, Freunde Tierärzte, Pferdetherapeuten und Trainer, rieten mir, den "Killer" loszuwerden.
Ich kann nicht behaupten, dass ich das nicht zeitweise liebend gerne getan hätte...
Irgendwann sagte dann die Pferdekörpertherapeutin Annette Fellner - mittlerweile eine liebe Freundin, damals ein verzweifelter Versuch, doch jemanden zu finden, der mir mit meinem Monster weiterhilft - den für mich entscheidenden Satz: "Wenn jemand wie du so ein Pferd bekommt, dann hat das was zu bedeuten und das heißt, dass du auch eine Lösung hast."
Nicht dass ich irgendeine Ahnung gehabt hätte, was sie meint, heulend und mit grünblauen Flecken in Hufabdruckform übersät, wie ich war. Aber irgendwas in mir hat sich an diesem Satz aufgehängt und mich nicht mehr vom Haken gelassen.
Damals habe ich angefangen, die Energiearbeit, die ich in Indien gelernt hatte, auf Pferde umzulegen.
Wenige Monate später hatte sich die Situation erheblich entspannt.
Den wirklichen Durchbruch hatten meine Maritella und ich allerdings erst, als ich begann, mich mit meinem eigenen Umgang mit Aggression zu beschäftigen. Der war nämlich vollkommen erstickt in einem räucherstäbchengeschwängerten, weichgespülten Ideal von Ausgeglichenheit und Gutmenschentum - und einem nicht unerheblichen Maße an Selbstherrlichkeit, weil ich mich ja so toll "zusammenreißen" kann.
Heute weiß ich, dass sowas der Tod jeder wirklichen Erkenntnis, jedes tatsächlichen Aufarbeitens ist.
Bevor man etwas loslassen kann, muss man es erst fest in die Hand nehmen und es sich ungefiltert und ungeschminkt so ansehen, wie es augenblicklich eben ist. Nicht beurteilen (und schon gar nicht verurteilen!), nicht angewidert zurückweichen, eigentlich gar nix tun, außer hinschauen.
Und feststellen "So ist es. Das fühle ich. So handle ich."
Erst dann kommt der Schritt, in dem man sich dagegen entscheiden kann, so weiter zu machen, erst dann ist es Zeit, loszulassen.
Letztendlich bin ich ein bisschen "wilder" geworden und mein Pferd ist ein freundliches, zugängliches Mädel mit einem, nun, "angemessenen Quentchen Pfeffer im Arsch".
Wir sind uns da gar nicht so unähnlich, denke ich.
Ich meine keineswegs, dass jede Tortur endlos auszudehnen und mit "Sinn" zu überfrachten ist. Manchmal heißt die Erkenntnis eben aufhören, aufgeben, scheitern. Auch das sind wichtige Elemente in unserem Leben, auch das muss man lernen dürfen. Aber egal, worum es letztlich geht, zu allererst muss ich mich mit dem konfrontieren, was da ist, und was ich mir möglicherweise nicht eingestehen und anschauen will.
Mitunter braucht es da eben vier Hufe und einen gewaltigen Sturschädel, um sich uns solange in den Weg zustellen, bis wir aufhören, abzuhauen.
Hat doch was, wenn das Fluchttier das Raubtier ausbremst, oder? ;-)

Freitag, 24. Mai 2013

Der sterbende Schwan oder My private Waterloo

Man sagt, dem Anfängergeist wohnt ein besonderer Zauber inne. Man sagt, dass man sein Leben lang ein Lernender sein soll. Man sagt, dass das Leben der beste Lehrer ist.
Ich sage: Stimmt.
Geist, Seele und Körper blühen auf, werden angeregt und geschult durch neue Eindrücke und Erfahrungen.
Ich habe noch einen Aspekt von unglaublicher Dynamik entdeckt, der besonders aktiv wird, wenn du etwas lernst, was du definitiv und prinzipiell noch nie gekonnt hast und wozu du auch keinerlei Talent hast: Dein Ego stirbt tausend Tode, und wenn du Glück hast, krepiert ein kleiner Teil davon schlussendlich für immer. Allerdings nicht ohne sich vorher heftig zu wehren.
Die Geschichte meines ganz privaten Ego-Waterloo beginnt an einem trüben Donnerstag, der nur erhellt wird von der Erkenntnis, dass es Zeit ist.
Zeit, etwas für den eigenen Körper, für die Harmonie von Leib und Seele zu tun.
Nun hab ich in den letzten Jahren gelernt, dass es ratsam ist, auf intensive Impulse aus den Tiefen der eigenen Seele zu hören. (Klingt nach spiritueller Erkenntnis, hat aber viel mit der praktischen Erfahrung zu tun, dass meine Seele, wenn ignoriert, zum Holzhammer greift, um mir ihre Anliegen nahe zu bringen...)

Nach sorgfältiger Erwägung aller meiner Möglichkeiten - Zirkeltraining entbehrt jeglicher geistig-seelischer Dimension, Ausdruckstanz wär möglich, aber ganz ehrlich...ich weiß ja nicht...- ist mir mit einem Mal sonnenklar, was ich tun möchte.
Ich lerne T'ai Chi. Und Qi-Gong. Schöne, geschmeidige Bewegungen in gemäßigtem Tempo und mit meditativem Geist. Großartig.
Außerdem gehe ich davon aus, dass der Lehrer solch wundersamer Künste - da von oben erwähntem meditativen Geiste beseelt - eine Engelsgeduld hat. Die wird er brauchen mit seiner neuen Schülerin, soviel ist selbst bei wohlwollendster Betrachtung meiner Balancefähigkeit klar.
Gut.
Ich erspare dem geschätzten Leser im folgenden eine ausführliche Beschreibung meines privaten Schlachtfeldes, wo sich Wille gegen Körper, und dann, in plötzlicher unheiliger Allianz, die beiden zusammen gegen meinen Stolz, meine Würde und ansatzweise gar gegen mein Selbstwertgefühl wenden.
Selbst die tatsächlich engelsgleiche Geduld und die kompetente Anweisung des Meisters können nichts daran ändern: Ich kann nicht wirklich auf einem Bein stehen. Entweder ich wackle hin und her wie ein Lämmerschwanz oder ... ich fall' einfach um.
Wodurch ans Tageslicht kommt, was mein Ego so gerne verborgen hätte: Was dem begabten T'ai-Chi-Studenten sein Kranich, ist mir Bewegungslegastheniker ein sterbender Schwan. Und mein Schwan ist nicht etwa in Schönheit im Kampfe gefallen, oh nein. Der ist an der Vogelgrippe verreckt. Kommt ja bekanntlich auch aus China.
Selbst mein kleiner Sohn, der mir später, zuhause, alleine im stillen Kämmerlein beim Üben zuschaut, fragt mich mit gerunzelter Stirne:"Mama, können das die anderen Kinder besser?"
Ja. Alle. Und zwar ausnahmslos alle, sage ich während ich mich wie ein Häufchen Elend an die Wand lehne und zu Boden rutsche.
Mitleidig klopft er mir auf die Schulter und sagt dann: "Macht nix. Wir können ja üben."
Und das tue ich seitdem. Ich habe aufgehört, darüber nachzudenken. Ich habe aufgehört, mich mit meinem Willen zwingen zu wollen. Ich habe aufgehört, mich zu vergleichen und die geschickten Kampfsportschüler, die manches Mal mit uns mitüben, im Geiste Taekwondodos zu nennen. Ich habe aufgehört, mich zu genieren.
Und ich habe angefangen, zu genießen. Ich lache, ich spür mich, ich wachse langsam, ganz langsam über meine eigenen ach so engen Grenzen hinaus.
Soll das Ego doch vor die Hunde gehen. Irgendwann fliegt selbst mein Kranich gen Himmel!

Dienstag, 21. Mai 2013

Seelenwäsche

Im Garten spannt sich eine Wäscheleine
vom Kirschbaum hin zum kleinen Gartenhaus.
Auf dieser Leine, endlos lang,
die Reihe der Gewänder,
in die sich die Geschichten hüllen,
die ich mir von mir selbst erzähle.
Ich setz mich auf die kleine Gartenmauer
so wie ein Salamander in die Sonne
und spür die großen Steine
wie sie mir meine Füsse wärmen.
Und schau mir die Gewebe an
die fein gesponnenen und groben
und hör mir an, wie sie behaupten
zu wissen wer ich sei.
Das grüne Kleid, zu teuer aber wunderbar,
getragen auf der Hochzeit einer Freundin
um schön, schön, schön und ganz die Königin in meinem Reich zu sein.
Das schwarze, ausgebleichte Leinenhemd,
das mir erzählt, wie lang ich schon Geschichten meiner Traurigkeit mir selber glaube.
Die weiße Weste der Empörung,
die ich so gerne trage, wenn mir - ich armes Unschuldslamm -
die bösen Menschen übel mitspiel'n.
Und dann das große bunte Tuch
mit grünen Schmetterlingen drauf
das da vom Wind gebauscht und flatternd
von einem Waldspaziergang weiß,
der mich so glücklich macht.
Mit einem kleinen Lachen steh ich auf
und hab gesehen, was ich bin und wer ich gern zu sein glaubte
und gehe endlich heim
so federleicht und seelenbarfuß durch das grüne Gras.