Sonntag, 23. Juni 2013

Pioniergeist

Hans Hass mit den Haien. Hans Hass auf Unterwasserexpedition. Hans Hass, der erste "freischwimmende" Taucher mit Atemgerät. Hans Hass und ein Haufen sympathische Verrückte auf einem Forschungsschiff.
Schwarzweißbilder aus einem alten Buch, dass mir vor 35 Jahren eine alte Dame, deren Dackel eng mit meinem Dackel befreundet war, geliehen hat.
Ein kleines Mädchen, dass damals beschloss, Forscherin zu werden. Und Entdeckerin.
Und später Ärztin. Und Heilerin. Und Archäologin. Ein paar Sachen davon bin ich geworden.

Du sagst mir, dass du dir mit 35 ein Herz gefasst hast und dein ganzes Leben neu gestaltet hast. Du hast einen Weg hinaus aus dem alltäglichen Schwachsinn und hinein in eine gelebte Spiritualität gefunden. Jetzt, mehr als zehn Jahre später, hast du alles erreicht, was du dir damals gewünscht hast. Was soll jetzt noch kommen, fragst du mich, noch ein bisschen die Sterne betrachten und dann den Deckel zu.

Hans Hass mit 89 Jahren bei einem Tauchgang im Meer. Hans Hass, der uralte Mann, der entgegen der Absprache mitten unter die Haie schwimmt.
Hans Hass auf die Frage, wie er sich all die Jahre seinen Enthusiasmus erhalten hat: "Ich hab' mich immer für die Dinge interessiert, für die sich sonst fast keiner interessiert."
Er hat sich neue Fragen gestellt und neue Antworten gefunden. Es war ihm offenbar ganz egal, was irgendwer sonst davon dachte.
Ich weiß nicht, was der Herr Hass für ein Mensch war, aber er war durchdrungen von einem gewaltigen Pioniergeist. Und der hat ihn nicht nur ständig schneller-höher-weiter getrieben, sondern seine Sicht auf die Welt geprägt und - verändert.
Aus dem Abenteurer mit dem Fischspeer in der Hand wurde ein Forscher, aus dem Forschergeist entstand eine so gewaltige Liebe zum Meer, dass sie ihn dazu trieb, die Erde und ihre Lebewesen von Grund auf und prinzipiell verstehen zu wollen. Er wurde Tier- und Naturschützer und ein recht philosophischer alter Herr.
Aber was er immer blieb, war ein Kind, das mit großen Zum-aller-ersten-Mal-Augen die Wunder dieser Welt bestaunt.

Noch ein bisschen die Sterne betrachten und den Deckel zu...

Ich wünschte, du würdest dich an deine Zum-aller-ersten-Mal-Augen erinnern, mein Freund.
Manchmal zieht sich der Marianengraben durch den Pazifik deiner Seele und der Mount Everest türmt sich in deinem Herzen.
Wie wäre es, wenn du einfach aufhörst, den Blues zu singen darüber, dass der alte Weg, der dich immerhin an dein damals gewähltes Ziel gebracht hat, nicht weiter führt?
Wie wäre es, wenn du nach dem Beginn des neuen Weges Ausschau hältst, vielleicht an Orten "für die sich sonst fast keiner interessiert"?
Wie wäre es, wenn du dich daran erinnerst, das du ein Pionier bist bei der Eroberung deines eigenen Landes, und das dein Claim erst gesteckt ist, wenn dein Herz vollkommen eins geworden ist mit den Landschaften deiner Seele?
Was, wenn ich dir sage, dass ich dich auf halbem Wege unter einem verdorrten Busch sitzen sah, mit einem schicksalsergebenen Lächeln auf den Lippen und der erstaunten Frage in den Augen, ob das dein Bodhibaum sei?
Ich bitt' dich, steh' auf!
Es gilt, noch diese ganze Welt zu entdecken, und die nächste...

Und wenn du das nächste mal zu den Sternen schaust, dann bitte dein Herz um die alte Seekarte, die dir den Weg weist und dann befiehl dem Steuermann in deinem Kopf Kurs zu setzen zu neuen Ufern...mögen sie sein wo auch immer du möchtest.