Viertel nach Sechs. Ein wunderschöner Frühsommermorgen. Die Rosen strotzen vor Knospen, die alle eben aufbrechen wollen, winzige Mücken tanzen in den ersten Sonnenstrahlen, alles ist so friedlich und still.
Mich hält nichts mehr im Bett, ich will hinaus in meinen Garten und diese zauberhafte Stimmung genießen.
Die Füße im taufrischen Gras, der frische Wind auf der Haut, der Rest der Mischpoche noch im Tiefschlaf im Bett, beschließe ich, dass das genau der richtige Moment für ein paar Qigongübungen ist.
Tief einatmen, die Arme nehmen die Energie der Erde auf, laaangsam ausatmen, die Arme senken sich im Zeitlupentempo, tief einatmen, der Mops schnarcht im Gras, auuuuusatmen...
Mir wird ganz warm ums Herz, Zufriedenheit in jeder Faser meines Körpers.
Ein Schnurren kommt immer näher, und als ich die Augen wieder aufmache, hat sich die kleine schwarze Katze neben mir niedergelassen. Franz-von Assisis-Feeling, aber echt!
Ich denke bei mir "ein paar anspruchsvollere Übungen können nicht schaden" und versuche mich zu erinnern, was wir alles so gelernt haben (und wobei ich besonders gewackelt habe).
Ah ja, da war doch diese Übung, jetzt hab ich schon wieder den Namen vergessen, diese Chinesen haben ja immer so poetische Bezeichnungen, die Arme falten sich vor der Brust wie zum Gebet, das eine Bein wird - selbstverständlich im Schneckentempo - gebeugt vor dem Körper angehoben und dann ganz langsam nach hinten geführt und ausgestreckt, dann haaaalten, dann kontrolliert und selbstverständlich in Zeitlupe saaaanft wieder absetzen. Die Atmung begleitet natürlich (?!!!!) rhythmisch und gleichmäßig die Bewegung des Körpers. Vermutlich heißt die Übung irgendwas in der Art von "Der einbeinige Mönch begrüßt die Sonne". Oder so.
Mein erster Versuch endet in etwas, was meine oftmals schnippische Freundin Esther bestenfalls als "Hundsattitüde" bezeichnen hätte. Ich widme den Erstversuch dem Hund ("Der schnorchelnde Mops hebt das Bein und grüßt pinkelnd den Baum") und versuch's nochmal, mit etwas mehr Konzentration und einem Hauch von Körperspannung (ist prinzipiell ja nie verkehrt beim Ein-Bein-Stand...)
Die Arme vor die Brust, Handflächen aufeinander, Oberkörper aufgerichtet, das Bein nach vorne Heben, nicht so lasch, etwas höher bitt'schön...da kitzelt mich doch etwas...
Direkt unter meinem Fuß steht die kohlrabenschwarze Minimiez, drückt ihr Katzenköpfchen gegen meine Fußsohle, stemmt sich schließlich mit ihrem ganzen kleinen Körper dagegen und schiebt mein Bein nach oben. Jetzt nur nicht wackeln, denk ich, und zieh vorsichtig meinen Fuß über den Rücken des Kätzchens nach hinten, den dünnen langen Schwanz entlang nach oben, dann das Bein nach hinten ausstrecken, um Gottes Willen nicht umfallen, und stehen, stehen, stehen, aaaatmen, mein Gott, das geht ja!!!!!
Mein Personal Trainer beißt mir liebevoll in den Knöchel meines Standbeines - vermutlich will sie mich an mehr Stabilität gemahnen - und verschwindet dann, nicht ohne eine letzte über die Schulter gemauzte Belehrung, im Gebüsch.
Besten Dank! Und das alles für ein Schälchen Katzenfutter pro Tag....