Unser Verstand ist ein wirklich wertvolles Instrument zum Erfassen und Lösen von Problemen.
Solange WIR ihn benützen und nicht ER uns.
Jeder kennt diesen Moment: Das Leben stellt dir eine Herausforderung, der du mit deinen üblichen Methoden und Werkzeugen nicht begegnen kannst, da sie in diesem speziellen Fall wirkungslos sind. Also fängst du an, die Situation zu analysieren. Dann überlegst du, was du tun oder lassen könntest um die Lage zu "bereinigen", d.h. letztlich möglichst schnell alles in einen Zustand zu überführen, der für dich angenehm und unproblematisch ist.
Lästigerweise funktioniert das in gewissen Fällen nicht. Also denken wir intensiver nach, holen uns Rat, probieren andere Lösungsansätze. Oft ist damit der Bann gebrochen. Aber dann gibt es noch diese gewissen Dinge, die sich als vollkommen lösungsresistent erweisen....
Unsere Pferde sind Meister darin, uns mit solchen Geschichten zu konfrontieren.
Während sie unbeirrt den Impulsen aus der Tiefe ihres Wesens folgen -was auch immer das sein mag, oft konfrontiert es uns mit extrem belastenden, emotionsgeladenen Situationen - beginnen wir uns in unserem eigenen Gedankenkarussell zu drehen, bis uns schwindlig wird. Die Gehirnakrobatik bekommt einen Eigendynamik, die Denkerei beginnt mitunter sogar, uns den Schlaf zu rauben. Wir sind nicht mehr Herr über unser Denken, sondern der Verstand hat uns die Karotte vor die Nase gehalten, dass er der einzige sei, der uns - in dieser "verzweifelten Lage" - noch Rettung und Lösung bringen könne. Und wir Esel folgen ihm in blindem Vertrauen, obwohl sich nichts in die richtige Richtung bewegt, obwohl unsere Lebensfreude schon arg gelitten hat, obwohl wir mittlerweile "alles probieren" und letztlich in blindem Aktionismus irgendwas tun. Manche suchen ihr Heil in der 25-sten Trainingsmethode, andere haben eine Zusatzfuttermittelliste die sich liest wie das who-is-who der Gesamtheit der möglichen Nahrungsergänzungsstoffe, wieder andere beschäftigen eine Heerschar von Therapeuten... Das Ausmaß der Verzweiflung steht dabei in direkt proportionalem Verhältnis zu den "Hab-ich-schon-Probiert"s.
Wir wollen etwas TUN, UM die Lage ZU bereinigen.
Das ist unsere Absicht, dazu verwenden wir unsere geistige i.e. verstandesmäßige Kapazität. Funktioniert ja auch oft.
Was aber, wenn nicht? Warum machen wir weiter, immer auf dieselbe Art und Weise?
Eine Definition von Verrücktheit besagt, dass etwas immer wieder auf dieselbe Art versucht wird, obwohl offensichtlich ist, dass es so nicht funktioniert...
Unser Verstand hat uns - Hand in Hand mit unserem Ego, das den Wahn in uns nährt, wir hätten prinzipiell mit unserem Kopf die Kontrolle über das Leben und seine Geschehnisse - so die Sicht vernebelt, dass wir gar nicht mehr darauf kommen, einen andere Ebene unseres Wesens einzubeziehen.
Unsere emotionale, seelische und spirituelle Kompetenz wird weder abgefragt und noch ausgebaut.
Dabei können wir auf all diesen Wegen unser Pferd viel besser erreichen als mit dem Hirn!
Allerdings muss ich nun meine Absicht, quasi die Prämisse für mein Handeln, überprüfen. Denn wenn sich eine Geschichte als so hartnäckig erweist, kann es sein, dass mein Bestreben ("es soll alles wieder so sein wie vorher" oder "ich will einfach meine Ruhe und mich wieder entspannen") das eigentliche Ziel weit verfehlt. Also einen Stock tiefer, in die emotionale Schiene: "Ich will wissen, wie du dich fühlst, denn dann kann ich dich verstehen." Das ist etwas, das sehr viele Pferd schon enorm glücklich macht. Der Moment, in dem ihr Mensch sich wirklich auf sie einlässt und sein Herz aufmacht, ist für sie das, worauf sie so lange gewartet haben. Viele, viele Dinge werden auf dieser Ebene aufgelöst und es ist für mich immer wieder ein besonderer, so berührender Moment bei meiner Arbeit, wenn ich das miterleben darf.
Die Frage, die du hier gestellt hast, heißt eigentlich "WER BIST DU?"
Und aus ganzem Herzen gestellt, eröffnet sie den Fluss des Mitfühlens, der die Basis der liebevollen Verbindung zwischen den Lebewesen ist.
Aber ab und zu können wir mit unsern Pferden noch weiter gehen. Da ist noch etwas, das uns weit über die Grenzen der Kommunikation zwischen zwei Spezies hinaus trägt. Auf dieser Ebene geht meine Absicht nicht mehr in Richtung von verstehen oder fühlen. Vielleicht könnte man sagen, dass sich hier alle Absicht auflöst. Das Tor zu diesem Zustand öffnet die Frage "WAS BIST DU?"
Wenn Mensch und Tier zusammen dieses Tor durchschreiten, löst sich alles auf.
Keine Gedanken, keine Fragen, keine Absicht mehr. Nicht einmal mehr ein Du und Ich.
Mir sind diese Momente heilig. Da ist nur mehr das Leben an sich. Reines Sein.
Ich durfte in den letzten Wochen einige solche Augenblicke erleben. Manche sagen, dass sei die Energie der Zeit, die diese Verbindung zwischen den Lebewesen begünstigt.
Wenn es so ist, dann leben wir in einer guten, in einer großen Zeit. Wir sollten ihr Geschenk annehmen und unsere Möglichkeiten ausschöpfen.
Manchmal muss man einfach aufs Ganze gehen, um mitten im Honigtopf zu landen.